A1-Bescheinigung bei EU-Auslandsdienstreisen weiterhin notwendig
Entsendet ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland, gelten unter Umständen die deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit fort. In diesen Fällen können ggf. sog. Entsendebescheinigungen beantragt werden, die als Nachweis darüber gelten, dass für den Arbeitnehmer in Deutschland ein Sozialversicherungsschutz besteht. Für Entsendungen in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, in einen Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums oder in die Schweiz gibt es hierfür die sog. A1-Bescheinigung.
Seit dem 1. Januar 2019 gilt für A1-Bescheinigungen ein verbindliches elektronisches Antrags- und Bescheinigungsverfahren. D. h. Arbeitgeber müssen die Ausstellung der A1-Bescheinigungen elektronisch bei der dafür zuständigen Stelle (Krankenkasse, Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V.) beantragen. Diese prüft sodann die jeweiligen Voraussetzungen. Steht fest, dass die deutschen Rechtsvorschriften gelten, hat die zuständige Stelle drei Arbeitstage Zeit, eine entsprechende Mitteilung nebst A1-Bescheinigung als PDF-Dokument auf elektronischem Wege an den Arbeitgeber zu übermitteln. Für Selbstständige gilt weiterhin der schriftliche Antrag. Die Pflicht, eine A1-Bescheinigung zu beantragen, führt in der Praxis zu erheblichem bürokratischen Aufwand.
Erst kürzlich haben sich das Europäische Parlament, der Rat und die Europäische Kommission geeinigt, die europäischen Regeln zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit zu überarbeiten und zu vereinfachen. Zu den Neuregelungen soll/sollte auch zählen, dass für Dienstreisen ins EU-Ausland kein A1-Entsendeformular mehr beantragt werden muss. Der Ausschuss der Ständigen Vertreter hat jedoch aktuellen Berichten zufolge diese politische Einigung nicht gebilligt. Es bleibt daher abzuwarten, ob in dieser Sache kurzfristig noch ein Kompromiss gefunden werden kann.
Hinweis: Das Vorliegen der A1-Bescheinigung wird in einigen Ländern streng kontrolliert. Arbeitgeber sollten daher den Antrag so früh wie möglich stellen, da die Bescheinigung vom Arbeitnehmer grundsätzlich bereits zu Beginn des Auslandsaufenthalts ‑ auch wenn dieser nur wenige Stunden andauert ‑ mitgeführt werden muss.
Abgrenzung der Betriebsaufgabe zur Betriebsunterbrechung und Betriebsverpachtung
Verpachtet ein Freiberufler ausschließlich die Räumlichkeiten einer freiberuflichen Praxis an seinen Nachfolger, liegt eine Betriebsverpachtung im Ganzen nur dann vor, wenn diese Räumlichkeiten die alleinigen wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellen.
Im entschiedenen Fall hatte ein Tierarzt seine Praxis an einen Kollegen veräußert. Die Praxisräume, die sich in seinem Eigentum befanden, wurden an den Nachfolger vermietet. Eine Betriebsaufgabeerklärung erfolgte nicht. Der Tierarzt ging davon aus, dass es sich hier um eine Betriebsunterbrechung handele, weil er u. a. auch in Erwägung gezogen hatte, seine Tätigkeit später einmal fortzusetzen. Das Finanzamt veranlagte den Tierarzt jedoch unter Berücksichtigung eines Aufgabegewinns, weil er seinen Betrieb aufgegeben und nicht lediglich unterbrochen habe.
Das Finanzgericht Münster bestätigte die Auffassung des Finanzamts. Durch die Einstellung der Tierarztpraxis und Weitergabe an seinen Kollegen habe er seine selbstständige Tätigkeit als Tierarzt aufgegeben. Dies führe zur Aufdeckung der stillen Reserven. Eine Betriebsunterbrechung im Sinne einer Betriebsverpachtung liege nicht vor, da neben den Räumlichkeiten auch immaterielle Wirtschaftsgüter, wie Praxiswert und Patientenstamm, regelmäßig zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören und vollständig an den Nachfolger veräußert wurden.
Der Bundesfinanzhof muss möglicherweise abschließend entscheiden.
Aufwendungen für eine Operation zur Brustvergrößerung regelmäßig keine außergewöhnliche Belastung
Die durch einen Gewebeschwund bei einer weiblichen Brust veranlassten Operationskosten sind nach einem Urteil des Finanzgerichts Bremen nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig.
Eine Anerkennung der Aufwendungen wäre nur möglich, wenn die Frau aufgrund ihrer extrem kleinen Brust in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt wäre oder die Abweichung vom Regelfall entstellend wirken würde. Letzteres ist nach Auffassung des Gerichts jedoch nur bei einer erheblichen Auffälligkeit gegeben, die sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi „im Vorbeigehen“ bemerkbar macht. Bei körperlichen Auffälligkeiten, die nur im unbekleideten Zustand sichtbar sind, sei eine Entstellung regelmäßig ausgeschlossen.
Besteuerung von Anzahlungen auf künftige Bestattungsleistungen
An Bestattungsunternehmen geleistete Anzahlungen für die spätere Bestattung sind nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs im Zeitpunkt der Vereinnahmung umsatzsteuerpflichtig. Voraussetzung hierfür ist, dass alle maßgeblichen Elemente der künftigen Bestattungsdienstleistungen genau in einem Bestattungsvorsorgevertrag bestimmt sind.
Damit ist Gegenstand des Leistungsaustauschs die zukünftige Bestattungsleistung und nicht eine Option zur Bestattung, auch wenn die insgesamt sichere Ausführung der Bestattungsleistung hinsichtlich des genauen Zeitpunkts unbestimmt ist. Dies gilt auch dann, wenn die Einzahlungen auf ein gesondertes Bankkonto mit dem Zusatz „Treuhandkonto“ des Bestatters erfolgten, für das keine Verfügungsbeschränkungen bestanden, da Bestattungsvorsorgeverträge dieser Art keine Darlehns- bzw. Treuhandverträge darstellen. Vielmehr werden darin die gegenseitigen Pflichten geregelt: einerseits die Bestattungsverpflichtung und andererseits die Verpflichtung zur Zahlung der Bestattungskosten zu den am Tag der Bestattung gültigen Bedingungen unter Anrechnung der geleisteten Anzahlung.
Einkommensteuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten
Drei Schwestern waren Erben nach ihrem Vater. Sie machten in ihren Erbschaftsteuererklärungen Einkommensteuerschulden des Vaters von über 6,6 Mio. € als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Noch zu Lebzeiten des Vaters hatte dieser seine Steuerbescheide angefochten. Sie wurden von der Vollziehung ausgesetzt und waren zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht bestandskräftig.
Der Bundesfinanzhof folgte der Auffassung der Schwestern. Vom Erwerb des Erben sind die vom Erblasser stammenden persönlichen Steuerschulden, die auf den Erben übergegangen sind, als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Unerheblich ist dabei, ob die Steuern im Erbfall bereits festgesetzt waren oder nicht. Entscheidend ist, dass sie im Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung dargestellt haben.
Es ist davon auszugehen, dass Finanzbehörden entstandene Steuern in zutreffender Höhe festsetzen werden, sodass im Todeszeitpunkt die für den Abzug erforderliche wirtschaftliche Belastung vorliegt. Dies gilt insbesondere, wenn die Steuern bereits durch Steuerbescheid festgesetzt wurden. Sie belasten den Erblasser und damit auch den Erben als Gesamtrechtsnachfolger. Die Belastung entfällt nicht dadurch, dass der Steuerbescheid angefochten und Aussetzung der Vollziehung gewährt wurde.
Ferienjobs sind für Schüler sozialversicherungsfrei
Schüler können in den Ferien im Rahmen eines zeitlich geringfügigen ‑ d. h. kurzfristigen ‑ Beschäftigungsverhältnisses unbegrenzt Geld verdienen, ohne sozialversicherungspflichtig zu werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Dauer des Ferienjobs bei einer Arbeitswoche von mindestens fünf Tagen höchstens drei Monate beträgt. Bei einer Arbeitswoche unter fünf Tagen dürfen gesamt 70 Arbeitstage nicht überschritten werden. Eine geringfügige Beschäftigung liegt jedoch nicht mehr vor, wenn diese berufsmäßig ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt 450 € im Monat übersteigt.
Wird die Beschäftigung in einem Kalenderjahr über diesen kurzen Zeitraum hinaus fortgesetzt und ein Arbeitsentgelt von bis zu 450 € im Monat gezahlt, sind die Vorschriften für die sog. Minijobs anzuwenden.
Beispiel: Schüler Paul arbeitet erstmals in den Sommerferien vom 20. Juni bis 2. August 2019 montags bis freitags in einer Firma und erhält dafür ein Entgelt von insgesamt 1.000 €. Es entsteht keine Sozialversicherungspflicht, weil er nicht mehr als drei Monate arbeitet. Am 1. Oktober 2019 vereinbaren sie, dass Paul fortan für monatlich 450 € weiterarbeitet. Ab diesem Tag hat der Arbeitgeber pauschale Sozialversicherungsabgaben, Pauschalsteuer und Umlagen an die Minijob‑Zentrale der Bundesknappschaft zu entrichten. Außerdem wird ein Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung einbehalten, sofern Paul keine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht beantragt.
Hinweis: Die sozialversicherungsrechtlichen Zeitgrenzen für kurzfristige Beschäftigungen (drei Monate oder 70 Arbeitstage) gelten nun auch über den 31. Dezember 2018 hinaus dauerhaft.
Fristwahrung per Telefax
Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung bestätigt, wonach ein Kläger/Rechtsmittelführer zu beweisen hat, dass sein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist.
Im entschiedenen Fall hatte ein Rechtsanwalt die fünfseitige Berufungsbegründung erst um 23:58 Uhr des letzten Tags der Begründungsfrist per Fax an das Gericht übersandt. Erst um 34 Sekunden nach Mitternacht hatte das Telefax des Gerichts den Schriftsatz vollständig empfangen. Technische Überprüfungen ergaben, dass das Telefax möglicherweise bereits 23 Sekunden früher, aber damit immer noch 11 Sekunden zu spät, eingegangen war. Einen noch früheren Eingang konnte der Rechtsanwalt nicht beweisen. Damit war die Berufung zu spät begründet worden und unzulässig.
Auch mit seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hatte der Rechtsanwalt keinen Erfolg. Denn an der verspäteten Einreichung der Berufungsbegründung traf ihn ein Verschulden. Bei Annahme eines Zeitbedarfs von 30 Sekunden je Seite ist bei fünf Seiten ein Zeitbedarf von 2:30 Minuten einzukalkulieren. Beim Start der Übertragung um 23:58 Uhr war daher der Eingang bei Gericht erst am Folgetag zu erwarten.
Für die Betriebskostenabrechnung zählt die tatsächliche Wohnfläche
Bei preisgebundenem Wohnraum ist für die Verteilung von Betriebskosten nach der Wohnfläche immer die tatsächliche und nicht die vereinbarte Wohnungsgröße maßgebend. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Die Vertragsparteien stritten darüber, ob eine mitvermietete Mansarde bei der Wohnflächenberechnung einzubeziehen ist oder nicht, da diese aufgrund geringer Raumhöhe nach der Hessischen Bauordnung nicht als Aufenthaltsraum galt.
Nach Auffassung des Gerichts sind öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen vermieteter Wohnräume nicht zu berücksichtigen, wenn die zuständige Behörde nicht einschreitet und die Nutzungsmöglichkeit der Räume daher nicht eingeschränkt ist. Für die Betriebskostenabrechnung könne folglich nichts anders gelten. Beziehen die Vertragsparteien die betreffenden Räume in den Mietvertrag ein und sind die Räume auch entsprechend nutzbar, sind sie auch im Zuge der Flächenberechnung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung gilt, so das Gericht weiter, auch für nicht preisgebundenen Wohnraum.
Keine Änderung bestandskräftiger Körperschaftsteuerbescheide wegen Erfassung von Schwarzeinnahmen beim Gesellschafter
Wird der Einkommensteuerbescheid des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft geändert, weil er seiner Gesellschaft verdeckt einen Vermögensvorteil zugewendet hat (sog. verdeckte Einlage), können auch bereits bestandskräftige Steuerbescheide der Kapitalgesellschaft geändert werden. Der Gesetzgeber will damit eine möglichst gleiche steuerliche Behandlung auf Seiten des Gesellschafters und der Gesellschaft erreichen. Eine verdeckte Einlage liegt vor, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft einen Vermögensvorteil zuwendet, ohne dafür Gesellschaftsrechte zu erhalten.
Eine Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide der Kapitalgesellschaft setzt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs voraus, dass gegenüber dem Gesellschafter ein Steuer- oder Feststellungsbescheid mit Rücksicht auf das Vorliegen einer verdeckten Einlage ergeht. Wird der Einkommensteuerbescheid aus anderen Gründen (z. B. wegen der Erfassung von Schwarzeinnahmen im Betrieb des Gesellschafters) erlassen oder geändert, können bestandskräftige Steuerbescheide der Kapitalgesellschaft nicht geändert werden. Dies gilt auch dann, wenn mit den Schwarzeinnahmen des Gesellschafters Betriebsausgaben der Kapitalgesellschaft bezahlt wurden.
Keine Pflicht zur Bildung eines Rechnungsabgrenzungspostens für unwesentliche Beträge
Rechnungsabgrenzungsposten dienen der periodengerechten Gewinnermittlung. Immer dann, wenn ein Aufwand/Ertrag und die damit verbundene Ausgabe/Einnahme in unterschiedliche Abrechnungszeiträume fallen, ist eine Rechnungsabgrenzung erforderlich.
Folgende vier Abgrenzungsfälle sind zu unterscheiden:
- Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.
- Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.
- Ausgaben nach dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit vor diesem Tag darstellen.
- Einnahmen nach dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit vor diesem Tag darstellen.
Nach Auffassung des Finanzgerichts Baden‑Württemberg kann in Fällen von geringer Bedeutung auf den Ansatz eines Rechnungsabgrenzungspostens verzichtet werden. Das gilt insbesondere, wenn wegen der Geringfügigkeit der in Betracht kommenden Beträge eine Beeinträchtigung des Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage nicht zu befürchten ist. Die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (derzeit netto 800 €) ist Maßstab für die Frage, ob ein Fall von geringer Bedeutung vorliegt.
Der Bundesfinanzhof muss abschließend entscheiden.
Kfz-Aufwendungen eines Schwerbehinderten als außergewöhnliche Belastung
Ein seit 1983 an multipler Sklerose Erkrankter benötigte für Übernachtungen außerhalb seiner Wohnung verschiedene Hilfsmittel sowie einen mobilen Lifter zum Transfer ins Bett und einen Duschtoilettenstuhl. Um diese Hilfen unterbringen zu können, erwarb er einen Kleinbus, den er behindertengerecht umbauen ließ. Die tatsächlichen Fahrzeugkosten betrugen 0,77 €/km. Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen für die Fahrten nur mit 0,30 €/km an.
Der Bundesfinanzhof bestätigte die Sichtweise des Finanzamts. Außergewöhnlich gehbehinderte Steuerpflichtige können ‑ neben den Pauschbeträgen für Behinderte ‑ auch Kfz-Aufwendungen für Privatfahrten in angemessenem Rahmen (15.000 km/Jahr á 0,30 €/km) als außergewöhnliche Belastungen geltend machen. In sog. „krassen Ausnahmefällen“ ist ein höherer Abzug möglich, wenn der Behinderte wegen der Art seiner Behinderung auf ein besonderes Fahrzeug angewiesen ist oder ihm pro gefahrenem Kilometer überdurchschnittlich hohe Aufwendungen entstehen.
Im entschiedenen Fall war der Mann durch seine Erkrankung zwar außergewöhnlich stark behindert und deshalb auf ein besonders ausgestattetes Fahrzeug angewiesen. Dieses verursachte aber keine überdurchschnittlichen Aufwendungen, die nicht durch die Pauschsätze angemessen abgegolten wären. Der ermittelte Wert entsprach den durchschnittlichen Fahrzeugkosten vergleichbarer Fahrzeuge.
Rechtmäßigkeit von Hinzuschätzungen wegen Buchführungsmängeln
Die Kassenführung hat insbesondere bei Betrieben mit nicht unerheblichem Barverkehr ein großes Gewicht im Hinblick auf die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Fehler bei der Kassenbuchführung sind in der Praxis häufig Anlass für Hinzuschätzungen.
Ist wegen eines fehlenden Kassenbuchs und festgestellter Kassenfehlbeträge die Fehlerlosigkeit der Buchführung nicht sicher festzustellen, hält das Finanzgericht München Hinzuschätzungen für zulässig. Im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung ließ das Gericht Sicherheitszuschläge des Finanzamts in Höhe von bis zu 8 % der getätigten Barzahlungen als relativ geringe Hinzuschätzungen zu. Es erkannte darin keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit.
Retrograde Ermittlung der Teilwertabschreibung auf den Wertansatz fertiger Erzeugnisse und Waren
Eine Gesellschaft mit dem Unternehmensgegenstand An- und Verkauf von Saisonwaren hatte bei der Bewertung des Vorratsvermögens retrograd ermittelte Teilwertabschreibungen auf der Grundlage durchschnittlicher Branchenwerte vorgenommen. Zusätzlich wurden die individuellen, durch die Lagerwirtschaft verursachten Kosten berücksichtigt. Daraus errechnete die Gesellschaft Abschläge auf die Saisonwaren von ca. 40 %. Das Finanzamt beanstandete die Höhe dieser Teilwertabschreibungen.
Das Finanzgericht Münster entschied, dass bei der Ermittlung einer Teilwertabschreibung auf den Wertansatz fertiger Erzeugnisse und Waren nach der retrograden, am Absatzmarkt orientierten Berechnungsmethode Besonderheiten zu beachten sind. Demnach kann die Ermittlung des „Soll–Rohertrags“ nicht auf der Grundlage eines durchschnittlichen Branchenwerts ermittelt werden. Vielmehr ist hierfür auf die betrieblichen Kennzahlen in den Jahresabschlüssen abzustellen. Selbstkosten, wie z. B. lagerzeitabhängige Kosten, sind bei der Ermittlung der Teilwertabschläge zu berücksichtigen.
Teilnahme an Fernsehshow umsatzsteuerpflichtig?
Ein Teilnehmer und Gewinner einer Fernsehshow stritt sich mit dem Finanzamt, ob er durch seine Showteilnahme eine umsatzsteuerpflichtige Leistung erbracht hatte.
Bei dem konkreten Format zogen mehrere Kandidaten in ein Haus ein. Durch Ausscheidungsspiele wurde der Gewinner der Show ermittelt. Mit dem Einzug in das Haus erhielt der Teilnehmer die Chance auf einen „Projektgewinn“. Ferner erhielt er pro Woche eine „Aufwandspauschale“ als Ersatz, etwa für die Abnutzung seiner Kleidung.
Da die Kandidaten weder ein Antrittsgeld noch eine andere unmittelbare Vergütung ‑ sondern nur im Fall einer erfolgreichen Platzierung ein Preisgeld ‑ erhielten, entschied der Bundesfinanzhof, dass für die (bloße) Showteilnahme keine Gegenleistung erbracht wurde. Mangels Entgeltlichkeit unterlag der Umsatz daher nicht der Umsatzsteuer. Ein Umsatz gegen Entgelt hätte einen unmittelbareren Zusammenhang zwischen Leistung und tatsächlich empfangener Gegenleistung vorausgesetzt.
Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen eines Gesundheitszentrums
Die Leistungen eines Gesundheitszentrums erfüllen nicht die Voraussetzungen einer steuerfreien Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung, wenn diese unabhängig von einem medizinisch diagnostizierten Krankheitsbild erbracht werden.
Für ein Gesundheitszentrum, das zwei Ärzte und sieben Krankenschwestern beschäftigte, lag eine Konzessionierung als Privatklinik vor. Die Inanspruchnahme der Dienstleistungen des Gesundheitszentrums war nicht von einem ärztlichen Befund abhängig. Die Patienten konnten selbst bestimmen, welche Leistungen sie in Anspruch nehmen wollten. Eine ärztliche Diagnose von Krankheiten erfolgte ebenfalls nicht.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der größte Teil der Umsätze nicht der Umsatzsteuerbefreiung unterlag, sondern ‑ mit Ausnahme der Erlöse aus der Abrechnung mit Krankenkassen für auf Kassenrezept geleistete Behandlungen ‑ dem Regelsteuersatz zu unterwerfen war.
Der Bundesfinanzhof schloss sich dieser Meinung an. Seitens des Gesundheitszentrums wurden keine Leistungen mit therapeutischer Zweckbestimmung erbracht. Die überwiegend vorbeugenden Gesundheitsleistungen erfüllten nur dann die Voraussetzung einer steuerfreien Heilbehandlung, wenn es sich um Maßnahmen im Rahmen einer medizinischen Behandlung, d. h. aufgrund ärztlicher Anordnung, vergleichbarer Feststellungen oder mithilfe einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme, handele.
Verdeckte Gewinnausschüttung Angemessenheit von Beraterhonoraren
Eine GmbH bezahlte Beratungshonorare an ihre jeweils zu 50 % beteiligten Gesellschafter. In den zugrundeliegenden Beraterverträgen war die „Errichtung eines Rechnungswesens mit Lohn- und Finanzbuchhaltung, Kostenrechnung und einer DV-gestützten Materialwirtschaft“ gegen einen Stundensatz sowie Reisekostenerstattung und Überlassung eines betrieblichen Pkw auch zur Privatnutzung vereinbart. Diese Vereinbarung reichte dem Finanzamt nicht. Es nahm verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an und versagte den Betriebsausgabenabzug.
Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzamts, da die vertraglichen Vereinbarungen einem Fremdvergleich nicht standhielten. Eine vGA ist eine Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf den Gewinn auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Wendet demnach eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zu, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte, ist eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis anzunehmen.
Im entschiedenen Fall hätte ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter eine derartige Vereinbarung mit einem fremden Dritten nicht getroffen, sondern u. a. vereinbart, bis wann die Errichtung erfolgt sein muss.
Versicherungsmakler muss für stornobehaftete Provisionsvorschüsse keine unfertigen Leistungen aktivieren
Stornobehaftete Provisionsvorschüsse, die ein bilanzierender Versicherungsmakler von einer Versicherungsgesellschaft erhalten hat, sind in seiner Bilanz als „erhaltene Anzahlungen“ zu passivieren. Damit im wirtschaftlichen Zusammenhang stehende Aufwendungen sind hingegen nicht als „unfertige Leistungen“ zu aktivieren, wenn kein Wirtschaftsgut entstanden ist.
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass das Vorliegen eines Wirtschaftsguts grundsätzlich voraussetzt, dass Aufwendungen zum Erwerb eines Wirtschaftsguts durch Anschaffung oder Herstellung geführt haben müssen. Demnach ist nicht jede Ausgabe geeignet, ein Wirtschaftsgut oder einen Vermögensgegenstand zu begründen. Es sind vielmehr ins Gewicht fallende, eindeutig und klar abgrenzbare Ausgaben erforderlich, die sich von laufenden Ausgaben erkennbar unterscheiden.
Aufwendungen, wie Löhne und Gehälter, Sofortabschreibungen, Fahrzeugkosten oder Werbe- und Reisekosten sind laufende Ausgaben, die regelmäßig wiederkehren und sich auch in ihrer Höhe im Wesentlichen gleichmäßig entwickeln. Da sie sich nicht eindeutig bestimmten Vermittlungen zurechnen lassen, sind sie nicht geeignet, ein selbstständiges bewertungsfähiges Wirtschaftsgut zu begründen.